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.Erst das Furchtbare mit dem kleinen, verrückten König, der siegedeckt hatte, dann der Hof, der geisteskrank war wie der König,den sie aber manchmal geliebt hatte; nein, falsches Wort.Nichtgeliebt.Sie schob es von sich.Erst das Kloster, dann die vierJahre.Auf einmal war es so schnell gegangen; sie hatteverstanden, daß sie nicht ohne Eigenschaften war, und dasPhantastischste von allem, sie hatte die anderen gelehrt -dieanderen!!! -, daß sie nicht ohne Eigenschaften war, und deshalbhatte sie die anderen das Fürchten gelehrt.Das Mädchen, das auszog, sie das Fürchten zu lehren.Struensee hatte ihr einmal ein altes deutsches Volksmärchenerzählt.Es handelte von einem Jungen, der keine Furcht kannte;er war in die Welt hinausgezogen, »um das Fürchten zu lernen«.Genauso steif deutsch und rätselhaft war der Ausdruck gewesen.Sie hatte das Märchen seltsam gefunden, und sie erinnerte sichkaum noch daran.Aber an den Titel erinnerte sie sich: »Von einem, der auszog, dasFürchten zu lernen«.Er hatte es auf deutsch erzählt.Der Junge, der auszog, dasFürchten zu lernen.Mit seiner Stimme, und auf deutsch, war derAusdruck dennoch schön gewesen, fast magisch.Warum hatte eres erzählt? War es eine Erzählung über ihn selbst, die ervermitteln wollte? Ein heimliches Zeichen? Hinterher hatte sie-299-gefunden, daß er von sich selbst erzählt hatte.Es gab nämlichnoch einen anderen Jungen in dem Märchen.Er war der Kluge,Begabte, Gute und Geliebte; aber er war von Furcht gelähmt.Vorallem, vor allen.Alles jagte ihm einen Schrecken ein.Er war vollerguter Eigenschaften, aber die Furcht hatte sie lahmgelegt.Derbegabte Junge war von der Furcht gelähmt.Aber Der Dumme Bruder wußte nicht, was Furcht war.Der Dumme Bruder war der Sieger.Was war das für eine Geschichte, die Struensee ihr hatte erzählenwollen? Von sich selbst? Oder wollte er von ihr erzählen? Odervon ihren Feinden, davon, wie es war zu leben; von denBedingungen, den Bedingungen, die existierten, denen sie sichaber nicht anpassen wollten? Warum diese lächerliche Güte imDienst der Güte? Warum hatte er keine Säuberungen unter denFeinden durchgeführt, niemanden des Landes verwiesen,niemanden bestochen, sich nicht angepaßt an das große Spiel?Hatte er solche Angst vor dem Bösen, daß er seine Hände nichtdamit beschmutzen wollte und deshalb jetzt alles verloren hatte?Es war eine Delegation von Vieren gekommen, hatte ihr erzählt,daß Struensee ins Gefängnis geworfen worden sei, daß ergestanden habe.Sie hatten ihn vermutlich gefoltert.Sie war sich fast sicher.Und dahatte er selbstverständlich alles gestanden.Struensee brauchtenicht in die Welt hinauszuziehen, um das Fürchten zu lernen.ImInnersten hatte er sich immer gefürchtet.Sie hatte es gesehen.Esschien ihm nicht einmal Spaß zu machen, Macht auszuüben.Dasbegriff sie nicht.Sie hatte doch ihre eigene Lust gespürt, als siezum erstenmal verstanden hatte, daß sie Schrecken verbreitenkonnte.Aber er nicht.Etwas Grundlegendes stimmte nicht mit ihm.Warumwurden immer die falschen Menschen auserwählt, um das Gute zutun? Es konnte nicht Gott sein, der das tat.Es mußte der Teufelsein, der die Werkzeuge des Guten auswählte.Also nahm er dieEdlen, die in der Lage waren, Furcht zu verspüren.Und wenn dieGuten nicht töten und vernichten konnten, dann war das Gutehilflos.-300-Wie schrecklich.Mußte es wirklich so sein? War es so, daß sieselbst, die keine Furcht kannte und es liebte, Macht auszuüben,und Glück empfand, wenn sie wußte, daß sie Angst vor ihr hatten,daß Menschen wie sie die dänische Revolution hätten durchführensollen?Dort draußen keine Vögel.Warum waren keine Vögel da, wenn siesie brauchte?Er hatte ihr eine Geschichte von einem Jungen erzählt, der alleshatte, aber Furcht fühlte.Der Held des Märchens aber war derandere Junge.Der Böse, Gemeine, Einfältige, der keine Furchtkannte, war der Sieger.Wie konnte man die Welt besiegen, wenn man nur gut war undnicht den Mut hatte, böse zu sein? Wie sollte man dann einenHebel unter dem Haus der Welt ansetzen?Unendlicher Winter.Schneetreiben über dem Öresund.Wannwürde es ein Ende nehmen? Vier Jahre hatte sie gelebt.Eigentlichweniger.Es hatte im Hoftheater begonnen, als sie sichentschlossen und ihn geküßt hatte.War das nicht im Frühjahr1770? Das bedeutete, daß sie nur zwei Jahre gelebt hatte.Wie schnell man wachsen konnte.Wie schnell man sterbenkonnte.Warum mußte sie gerade Johann Friedrich Struensee so furchtbarlieben, wo das Gute dazu verdammt war unterzugehen, unddiejenigen, die keine Furcht fühlten, siegen mußten.»O keep me innocent, make others great.«So unendlich lange her.3.Die Delegation von Vieren hatte nichts erreicht.Vier Tage später kam Guldberg wieder.Guldberg war allein gekommen, hatte den Wachen ein Zeichengegeben, vor der Tür zu bleiben, und sich auf einen Stuhl gesetzt-301-und sie direkt und unverwandt angesehen.Nein, dieser kleineMann war kein Rantzau, kein feiger Verräter, man durfte ihn nichtunterschätzen, mit ihm war nicht zu spaßen.Früher hatte siegefunden, daß er beinah grotesk wirkte in seiner grauen Kleinheit;aber es schien, als habe er sich verändert, was war es, das sichverändert hatte? Er war nicht unbedeutend.Er war einlebensgefährlicher Gegner, und sie hatte ihn unterschätzt, jetztsaß er auf seinem Stuhl und sah sie unablässig an.Was war dasmit seinen Augen? Man sagte, daß er nie blinzelte, aber lag esnicht an etwas anderem? Er hatte sehr leise und ruhig zu ihrgesprochen, kalt konstatiert, daß Struensee jetzt gestanden habe,wie ihr kürzlich mitgeteilt worden sei, und daß der König jetzt eineScheidung wünsche und daß ein Geständnis ihrerseits notwendigsei.»Nein«, hatte sie ihm ebenso ruhig geantwortet.»In diesem Fall«, hatte er gesagt, »hat Struensee die KöniginDänemarks der Lüge bezichtigt.Dafür muß seine Strafe verschärftwerden.Dann sind wir gezwungen, ihn zum Tode durchlangsames Rädern zu verurteilen.«Er hatte sie vollkommen ruhig angesehen.»Du Schwein«, hatte sie gesagt.»Und das Kind?«»Man muß immer einen Preis bezahlen«, hatte er erwidert.»Alsobezahlen Sie!«»Und das bedeutet?«»Daß der Bastard, das Hurenkind von Ihnen getrennt werdenmuß.«Sie wußte, daß sie ihre Ruhe bewahren mußte.Es ging um dasKind, und sie mußte ruhig bleiben und klar denken.»Ich verstehe nur eins nicht«, hatte sie mit ihrer kontrolliertestenStimme gesagt, die ihr aber dennoch spröde und bebend vorkam,»ich verstehe diese Rachlust nicht
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