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.Kants Begriffserläuterung beginnt mit einem einfachenGedankenexperiment.Was geschieht, wenn man einenmateriell ausgefüllten Raum, der ausgedehnt, undurch-dringlich, teilbar und den mechanischen Bewegungsge-setzen Newtons unterworfen ist, mit einer geistigenSubstanz füllt? Offensichtlich findet dabei keine Räu-mungsaktion statt.Der Geist mag dann zwar als inneresPrinzip oder als immaterielle Kraft wirksam sein, ohnedabei jedoch den Raum körperlich auszufüllen.«EinfacheWesen von dieser Art werden immaterielle Wesen und,wenn sie Vernunft haben, Geister genannt werden.» (I,928) Nur in radikaler Abtrennung von der Materie kannalso, Kant zufolge, der Name eines immateriellen Geistessinnvoll gebraucht werden.An diesem Punkt angelangt, ist der «verwickeltemetaphysische Knoten» (I, 925) nicht mehr zu übersehen,der uns in eine tiefe philosophische Verwirrung zu stürzendroht.Bereits Aristoteles, auf den Kant hier anspielt, hat inseiner Metaphysik den Zweifel im Denken als Hinweis aufeinen Knoten in der strittigen Sache verstanden; «denn imZweifel gleicht man den Gebundenen, jenen wie diesen istes unmöglich vorwärts zu schreiten.»12 Das Problem116scheint das klare und zielstrebige Nachdenken zu überfor-dern.Es verknotet sich in widerstreitende Argumenta-tionen, bei denen oft geistvolle Begründungen und phan-tastische Einbildungen unauflöslich verwoben sind.DieMetaphysik beginnt zu träumen.Man kann es an dreiSymptomen diagnostizieren.Kant kann zunächst nur gestehen, «daß ich sehr geneigtbin, das Dasein immaterieller Naturen in der Welt zubehaupten, und meine Seele selbst in die Klasse dieserWesen zu versetzen.Alsdann aber: Wie geheimnisvollwird nicht die Gemeinschaft zwischen einem Geist undeinem Körper?» (I, 934f.) Der Metaphysiker neigt zumGeheimnisvollen.Er ist Initiat einer «geheimen Philo-sophie» und gesteht, was ihm selbst sehr dunkel ist undwohl auch so bleiben wird.Er glaubt an die Seele, animmaterielle Naturen, geistige Wesen, innere Tätigkeitenund Zustände, die einer Welt angehören, die nicht denBedingungen körperlicher Aktivitäten unterworfen sind.Aber wo haben sie ihren Ort? Kant vermutet, dassangesichts dieser Frage jede wissenschaftliche Erkenntnis-anstrengung an ihre Grenzen stoßen muss.Kant redet nur von Geistern, die zum Weltganzengehören.Der unendliche Geist Gottes, an dem man ja vonvornherein jede Materialität verneint, ist nicht sein Thema.Der Zusammenhang von Geist und Körper, Seele und Leibverwirrt ihn.Denn die Annahme einer menschlichen Seeleals geistiger Substanz bringt den Metaphysiker in diescheinbar unlösbare Schwierigkeit: «daß ich einewechselseitige Verknüpfung derselben mit körperlichenWesen zu einem Ganzen denken, und dennoch die einzigbekannte Art der Verbindung, welche unter materiellenWesen statt findet, aufheben soll.» (I, 927)In einem Exkurs zur Moralität und Sittlichkeit verschärftKant das Problem.Jetzt geht es nicht mehr nur um den117Kopf.Auch das menschliche Herz scheint von immate-riellen Kräften bewegt werden zu können, die außerhalbzu liegen scheinen.Wer nicht nur an sich selbst und seinePrivatbedürfnisse denkt, ist geneigt, an eine «aus demGrunde der Moralität entspringende Wechselwirkung desMenschen und der Geisterwelt» (I, 945) zu glauben.Esscheint sittliche Neigungen, moralische Gefühle undRegeln eines überindividuellen Willens zu geben, die inder Welt wirksam sind, obwohl sie nicht als materiellgegeben gedacht werden können.Und so kommt Kant zueiner Einsicht, die sich nur noch schwer von derVorstellung eines Visionärs unterscheiden lässt: «AlleMoralität der Handlungen kann nach der Ordnung derNatur niemals ihre vollständige Wirkung in dem leiblichenLeben des Menschen haben, wohl aber in der Geisterweltnach pneumatischen Gesetzen.» (I, 944)Obwohl er also nicht sicher wissen oder beweisen kann,dass es immaterielle Geistwesen gibt, gesteht Kant erstens,dass er an ihre Existenz zu glauben «geneigt» sei.Damitaber verstrickt er sich zweitens in jenen traditionsmäch-tigen Knoten, der zugleich die Verbindung von Geist undKörper und deren Abgetrenntsein zu bedenken gibt.Unddrittens leitet er die Moralität von Handlungen aus einerunmittelbaren Gemeinschaft der Geister ab, die denGesetzen eines pneumatischen Einflusses folgt, ohneVermittlung körperlicher Dinge.Die Selbstdiagnosescheint klar zu sein.Auch er selbst gehört zu denBewohnern jenes Geisterreichs, in dem sich dieOkkultisten, Mystagogen und Esoteriker aller Zeiten undLänder vereinigen.118GEISTERSEHER SWEDENBORGBereits im wuchtigen Eröffnungssatz seiner Geisterschrifthat Kant metaphysische Geheimnisse, religiöse Hoffnun-gen und geistige Phantasmen in eine unheilige Dreifal-tigkeit zusammengeführt: «Das Schattenreich ist das Para-dies der Phantasten.» (I, 923) Schon der Ton, mit demdieses Reich skizziert wird, klingt wie eine Warnung.Nein, die Grenze zu diesem Reich darf nicht überschrittenwerden.Der Weltweise, der Deutlichkeit und Klarheit alsmethodische Richtlinien seiner philosophischen Tätigkeitschätzt, darf kein Phantast sein.Er will sich nichtverblenden lassen wie die Menschen, die nicht das sehen,was da ist, sondern was ihnen ihre Neigung vorgaukelt.Um sich darüber klar zu werden, hat Kant sichSwedenborg zugewandt.Der berühmteste Geisterseherseiner Zeit, der auch in Deutschland begeisterte Anhängerfindet, dient ihm als Spiegelbild und Doppelgänger, vondem er sich trennen muss, um aus den Träumen derMetaphysik aufzuwachen.Kant will den Swedenborg insich überwinden, will den eigenen Geister-Unsinn erken-nen, um ihn verwerfen zu können.Doch wer ist überhauptdieser Swedenborg, über dessen Person und Werk sichKant ausführlich informiert hat?«Es lebt zu Stockholm ein gewisser Herr Schwedenberg,ohne Amt oder Bedienung, von seinem ziemlich ansehnlichenVermögen.Seine ganze Beschäftigung besteht darin, daß er,wie er selbst sagt, schon seit mehr als zwanzig Jahren mitGeistern und abgeschiedenen Seelen im genauestenUmgange steht, von ihnen Nachrichten aus der andern Welteinholet und ihnen dagegen welche aus der gegenwärtigenerteilt, große Bände über seine Entdeckungen abfaßt und119bisweilen nach London reiset, um die Ausgabe derselben zubesorgen.» (I, 966) Mit dieser knappen Nachricht, die er «mitvölliger Gleichgültigkeit» dem Urteil seiner geneigten oderungeneigten Leser überlässt, beginnt Kants Polemik.Alswisse er nicht viel mehr von diesem «gewissen Herrn», dessenNamen er noch nicht einmal richtig zu kennen scheint.Ein Brief, den Kant bereits einige Jahre früher, vermutlicham 10.August 1763, an Charlotte von Knob-lochgeschrieben hat, spricht eine andere Sprache.Denn dort hater diesem wissbegierigen «gnädigen Fräulein» mitgeteilt,dass er sich ausführlich über Swedenborg erkundigt habe.Zwar wisse er nicht, ob man an ihm jemals «eine Spur voneiner zum Wunderbaren geneigten Gemütsart» habefeststellen können.Aber er sei sich gewiss, am liebsten dochder «Regel der gesunden Vernunft»13 zu folgen.Er glaubenicht so recht an allerlei Geschichten von Erscheinungen undHandlungen des Geisterreichs, die ihm ja durchaus bekanntseien.Er wolle zwar nicht deren Unmöglichkeit behaupten,doch wolle er sich auch nicht leichtgläubig betrügen lassen.In dieser Gemütslage machte er sich mit der Geschichte desHerrn von Swedenborg bekannt, der ihm von Personen,deren klares und besonnenes Urteilsvermögen Kant schätzte,als ein «vernünftiger, gefälliger und offenherziger Mann»14geschildert worden war, als ein hervorragender Gelehrter, dervoller Überzeugung über die wunderliche, ihm von Gottverliehene Gabe redete, mit Geistern und Engelnkommunizieren zu können, und dafür auch zahlreicheBeweise lieferte
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