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.Gina beschloß zu warten, bis sie einundzwanzig war (esfehlten nur noch zwei Jahre): aber der Rote wartete nicht aufsie.Er ließ sich sonntags mit einer anderen Frau sehen, dannmit einer dritten und heiratete schließlich eine vierte.Da faßteGina einen grausamen Entschluß: da sie den einzigen Mann,den sie mochte, nicht bekam, wollte sie auch keinem anderengehören.Ins Kloster gehen nein, schließlich hatte siemoderne Anschauungen: sie würde sich aber die Ehe auf eineraffinierte, unbarmherzige Art versagen, nämlich indem sieheiratete.Sie war inzwischen eine qualifizierte Angestellte, derVerwaltung unentbehrlich, verfügte über ein zuverlässigesGedächtnis, und ihr Fleiß war sprichwörtlich: so teilte sieallen, den Eltern und den Vorgesetzten mit, daß sie Bortolasso,den Bergwerkstrottel, zu heiraten gedenke.Bortolasso war ein Hilfsarbeiter in mittleren Jahren, stark wieein Bär und schmutzig wie ein Schwein.Er war wohl nichtvollkommen blöd, wahrscheinlich gehörte er zu jener ArtMenschen, von denen man in Piemont sagt, sie spielen denNarren, um das Salz nicht bezahlen zu müssen: im Schutze derStraffreiheit, die man Schwachköpfen zugesteht, übte er mitäußerster Nachlässigkeit das Amt des Gärtners aus.DieNachlässigkeit war so groß, daß sie schon an Schlauheitgrenzte: schön, die Welt hatte ihn für unzurechnungsfähigerklärt, jetzt mußte sie ihn so ertragen, ja, sie mußte ihnunterhalten und für ihn sorgen.Regennasser Amiant läßt sich schlecht abbauen, deshalb warder Niederschlagsmesser für das Bergwerk sehr wichtig: erstand in einem Beet, und der Direktor selbst las die Angabenab.Bortolasso, der jeden Morgen die Beete sprengte, gewöhntees sich an, auch den Niederschlagsmesser zu besprengen, undbrachte damit die Daten der Förderkosten ernsthaftdurcheinander; der Direktor kam (nicht sofort) dahinter unduntersagte es ihm.»Also möchte er ihn trocken haben«,schlußfolgerte Bortolasso: und öffnete nun nach jedem Regendas Ventil am Boden des Instruments.Als ich hinkam, hatte sich die Lage seit geraumer Zeitstabilisiert.Gina, jetzt Signora Bortolasso, war um dieFünfunddreißig: die unauffällige Schönheit ihres Gesichts warerstarrt und zu einer straffgespannten Maske gefroren, und estrug deutlich das Mal fortdauernder Jungfernschaft.DennJungfrau war sie geblieben: alle wußten es, da Bortolasso esallen erzählte.So hatte die Abmachung bei der Heirat gelautet,er hatte sie akzeptiert, auch wenn er dann fast jede Nachtversucht hatte, das Bett der Frau mit Gewalt zu erobern.Sieaber hatte sich heftig gewehrt und tat es noch immer: nie undnimmer würde ein Mann sie berühren, und schon gar nichtdieser.Diese nächtlichen Schlachten zwischen den unglücklichenEhegatten waren zur Legende des Bergwerks, zu einer seinerwenigen Attraktionen geworden.In einer der ersten lauenNächte lud mich eine Gruppe von aficionados ein, mit ihnengemeinsam hinzugehen und zu sehen, was passierte.Ich lehnteab, und sie kehrten kurz darauf enttäuscht zurück: man hörtenur, wie eine Posaune »Faccetta Nera«" spielte.Sie erklärtenmir, daß das hin und wieder vorkäme; Bortolasso war nämlichein musikalischer Trottel und machte auf diese Weise seinemHerzen Luft.In meine Arbeit verliebte ich mich gleich am ersten Tag,obwohl es in dieser Phase nur darum ging, von Felsprobenquantitative Analysen anzufertigen: Ätzen mit Flußsäure, dasEisen runter mit Ammoniak, Nickel (wie wenig! ein winzigerrosa Niederschlag) runter mit Dimethylglyoxim, Magnesiummit Phosphat, immer wieder das gleiche tagaus, tagein: an sichnicht sehr aufregend.Aufregend und neu aber war ein anderesGefühl: die Probe, die man zu bestimmen hatte, war nicht mehrnur ein anonymes, handgefertigtes Pülverchen, ein Quiz instofflicher Hülle; es war ein Stück Felsen, Erdinneres, der Erdedurch die Kraft von Minen entrissen: vermittels der Daten ausden täglichen Analysen entstand so nach und nach eine Karte,"Faccetta Nera: zur Zeit des Äthiopien-Feldzugs (1935-1936) imfaschistischen Italien äußerst populäres Lied.Wegen der darin enthaltenenAnspielungen auf die sentimentalen Beziehungen von italienischenSoldaten zu den »faccette nere«, d.h.den Äthiopierinnen, wurde das Liednach 1938 im Zuge der Rassenverfolgungen verboten.das Abbild der unterirdischen Adern.Zum erstenmal nachsiebzehn Jahren Schule mit ihren Aoristen undPeloponnesischen Kriegen war mir das Gelernte also zu etwasnütze.Die quantitative Analyse, die so wenig Emotionenzuließ und so hart wie Granit war, wurde etwas Lebendiges,Wahres, Nützliches, Teil ernsthafter, konkreter Arbeit.Sie warnützlich: eingegliedert in einen Plan, ein Steinchen in einemMosaik.Die analytische Methode, die ich anwandte, war keineBuchweisheit mehr, sondern wurde täglich neu erprobt, konnteim feinsinnigen Zusammenspiel von Verstand, Proben undIrrtümern verfeinert, unseren Zwecken nutzbar werden
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